Der Bockerer – Premiere

Wie ein heile Welt Risse bekommt

Dass „Der Bockerer“ bei der Premiere auf so große Resonanz stößt, ist den Schauspielern zu verdanken, die jeden der Charaktere stimmig verkörpern. Ausschlaggebend ist aber mit Sicherheit auch die Bearbeitung durch Hannes Rupprecht.

von Inge WürthProfil

Angekündigt hat Vorsitzender Bertwin Fleck die Aufführung „Der Bockerer oder – D’Schellnsau sticht“ als Lehrstück und Volkstheater, unterhaltsam und nachdenklich, zum Lachen und Weinen; und von all dem ist am Samstag bei der Premiere der Laienspielschar etwas dabei auf der Bühne des Pfarrheims. Regisseur Hannes Rupprecht – in Zusammenarebit mit Christian Mayerhöfer – verlegt das Bühnenstück, das eigentlich in Österreich während der Nazi-Zeit spielt, kurzerhand in die Oberpfalz; der heimische Dialekt bringt das Geschehen noch näher und unmittelbarer an die Zuschauer heran.

Metzger Bockerer (Hannes Rupprecht) hat mit Politik zuerst nichts am Hut und ist zufrieden, wenn er donnerstags mit Hatzinger (Peter Budnik) und Dr. Rosenblatt (Moritz Müller), einem jüdischen Rechtsanwalt, schafkopfen kann. Seine Frau Binerl (Renate Schönberger) und Sohn Hans (Simon Mauerer) dagegen sind willige Opfer der Propaganda; Hans wird SA-Mann. Dem Bockerer sind Ariernachweise oder die Nürnberger Gesetze egal, er ist mit Nürnberger Bratwürsten und Nürnberger Lebkuchen zufrieden.

Als Dr. Rosenblatt aber die Kartenrunde verlässt um nach Amerika zu gehen, bekommt seine Welt Risse; auch von seinem Freund Hermann (Wolfgang Unger), einem Kommunisten, will er sich nicht fernhalten. Es bleibt nicht aus, dass es zum Konflikt zwischen Vater und Sohn kommt. Der Bockerer wird vor den Gestapo-Beamten Dr. von Lamm geführt (Karlheinz Budnik), kann dessen Akteneinträge und Beanstandungen aber mit Witz und Naivität kontern: Mit einem lädierten rechten Arm kann man schließlich keinen Hitlergruß ausführen und mit links – das wäre doch unwürdig.

Durch Annerl (Lena Schulze), die Witwe von Hermann, erfährt Karl Bockerer, dass sein Freund umgebracht wurde. Sohn Hans, den er mittlerweile aus dem Haus geworfen hat, muss an die Front nach Stalingrad. Freund Hatzinger gelingt es, Vater und Sohn beim letzten Abend in der Heimat vor dem Café Tosca zusammenzubringen, so dass es doch noch zu einem versöhnlichen Abschied kommt. Es geschieht, was geschehen musste: Hans fällt an der Front – und seine Mutter Binerl ist von einer Hitler-Anhängerin zur erbitterten Gegnerin geworden.

Zwischen den einzelnen Bühnenbildern laufen Original-Sequenzen aus der „Wochenschau“, die ein mehr als beklemmendes Gefühl hinterlassen. Zwischen den Szenen sorgen zwei musikalische Einlagen für nachhaltigen Eindruck und Gänsehaut: begleitet am Klavier von German Beer singt Monika Burkhard „Lili Marleen“, das klassische Soldatenlied, und den Anti-Kriegssong „Sag mir, wo die Blumen sind“.

Durch das Stück ziehen sich auch immer wieder originelle Regie-Einfälle, zum Beispiel wenn drei Fremde aus der Stadt (Thomas Weiß, Daniel Kühnl und Marco Görl) den Zoiglstern mit einem Judenstern gleichsetzen und eine Rauferei herbei beschwören; oder wenn bei der Vernehmung im Gestapo-Zimmer der Beamte mühsam auf seinen zu hohen Stuhl klettern und höchst unwürdig mit den Füßen baumeln muss. Auch die Hakenkreuz-Fahne, die aufgehängt werden muss, aber zu lang ist, gibt dem Bockerer Gelegenheit, sich indirekt über die Anordnung lustig zu machen.

Ein Höhepunkt ist der Auftritt von Ludwig Müller. Er kommt während eines entspannenden Fußbades zum Bockerer und dieser ist der Überzeugung, den Führer höchstpersönlich vor sich zu haben. Müller spielt Hitler mit allen Facetten und mit vollem körperlichen Einsatz: Mimik, theatralische Gestik, Diktion und Pathos; entlarvend, erschreckend, zum Lachen, das einem dann auch wieder im Hals stecken bleibt. Letztendlich handelt es sich aber dann um Adolf Selchgruber, einen Irren, der sich als Führer fühlt und von der Wärterin (Ramona Schricker) und Polizeiinspektor Guritsch (Markus Hampl) wieder eingefangen wird.Beeindruckend und hervorragend besetzt auch Andreas Kurz in der Rolle des SS-Mannes Gstettner: eiskalt, aalglatt und zackig.

Lob auch für die weiteren Rollen: Matthias Schönberger als Zoiglwirt Wastl, Brigitte Flieger als Mizzi – die Geliebte von Hans, Kerstin Schandri, die als Frau Galleitner spontan zwei Tage vor der Premiere einspringen musste, sowie Michael Sittl und Lukas Rupprecht als Soldaten und Monchito Vilas als Filmvorführer.

Die restlichen Aufführungen sind restlos ausverkauft.

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